Leseprobe aus

Christen und Muslime

134 Seiten, Paperback

Format 14 x 21.6cm

Erschienen 30. Nov 2009

ISBN: 978-3-929345-47-6

Copyright 2009 Verlag Hans-Jürgen Maurer

Inhalt

EINFÜHRUNG

  1. Haltungen     9
    2. Die Notwendigkeit der Orthodoxie  11
    3. Der absteigende Zyklus        14

CHRISTLICHE HALTUNGEN GEGENÜBER DEM ISLAM

Die Evangelien und die Apostelgeschichte
Grundlegende Prinzipien und Richtlinien           22

Die Jungfrau Maria
Das Haus zu Ephesus (Meryem Ana Evi)         26

Römisch-katholische Christen
Päpste
Papst Pius XI. (1857–1939)    30
Papst Pius XII. (1876–1959)   30

Kardinäle
Nikolaus von Kues (1401–1464)        31
Kardinal Tisserant (1884–1972)          32

Bischöfe
Die römisch-katholischen Bischöfe von Nigeria (1960)            32
Der Bischof von Gerona (gest. 954) und
Prinz Al-Hakam (gest. 976)     33
Der Bischof von Tripolis          35

Mönche
Adelhard von Bath (12. Jahrhundert)   41
Der Mönch und der Kalif
(Johannes von Görtz, 10. Jahrhundert) 41

Könige und Ritter
Sizilien zur Zeit der Normannen (ca. 1070–1200)        52
Die Templer     56

Östliche Christen

            Bahirâ (syrischer Mönch, 6. Jahrhundert)         60
Der nestorianische Patriarch Ischo-Jab III.
(regierte von 649 bis 660)        63
Der griechische Patriarch Michael III
(regierte von 1169 bis 1177)    63
Die Kopten      64
Die Mönche vom Berg Athos   64

Protestantische Christen
Erfahrungen eines Calvinisten mit dem Islam     66
Professor A. J. Arberry (1905–1969)  68
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)     70

Minister
Colonel Juan Beigbeder, Außenminister von Spanien   72

Erzähler von Anekdoten
Schwester Mary Campion       74
Jerusalem, 1934 und 1937, von Eric Gill (1882–1940)            78

MUSLIMISCHE HALTUNGEN GEGENÜBER DEM CHRISTENTUM

Der Koran
Koranverse, die das Christentum
und die Christen betreffen        84

Mohammed (570–632)
Einige Aussprüche des Propheten Mohammed
zum Christentum          88
Mohammed beschützt die Ikone der
Heiligen Jungfrau mit dem Kind            89
Ein Brief Mohammeds  90

Die vier rechtgeleiteten Kalifen
Die frühen Kalifen        92
Der Kalif Omar (581–644)      92

Die Sufis
Ibrahîm ibn Adham (gest. 777) 94
Ibn Arabî (1165–1240)         95
Rûmî (1207–1273)      97
Al-Ghazâlî (1058–1111)          98
Der Emir  Abd al-Qâdir (1808–1883)           99
Mulay Alî ad-Darqâwî (20. Jahrhundert)        100
Ahmad al-cAlawî (1869–1934)           101

Sultane und Heilige
Abu Walîd (11. Jahrhundert)    103
Ibn Ahmar (13. Jahrhundert)    107
Der Sultan von Ägypten und das maurische Spanien,
Besuche des heiligen Franziskus von Assisi (1182–1226)        108
Saladin (1137–1193)   110
Der Kalif von Damaskus und der heilige
Johannes von Damaskus (676–ca. 754)           114
Der Emir in der Türkei und der
heilige Gregor Palamas (1296–1359)   114
Der Herrscher von Tunesien und Ludwig der Heilige,
König von Frankreich (1214–1270)    115
König Mohammed V. von Marokko (1909–1961)      115

Historiker
Ernst Kühnel (1882–1964)      116
Gustave Le Bon (1841–1931)              118
Duncan Townson         119
Titus Burckhardt (1908–1984)            121
Evangelos Papaioannou:
Katharinenkloster, Berg Sinai   122

ABBILDUNGEN        124

EINFÜHRUNG

  1. HALTUNGEN

Die schrecklichen Geschehnisse und Entwicklungen der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass die Menschen in der westlichen Welt, eigentlich zum ersten Mal, fragen: Welche Art von Religion ist der Islam? Jene Menschen, die eine positive Haltung einnehmen, antworten darauf, der Islam sei „eine Religion des Friedens“. Ja, natürlich, und das Gleiche gilt auch für alle anderen Religionen, wobei wir aber nicht vergessen dürfen, dass Christus sagte: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert“, und dass in jeder Religion eine ähnliche Aussage vorhanden ist.

Weitaus bedeutsamer ist es, dass jede Religion von sich behauptet, „eine Religion der Wahrheit“ zu sein. Nach den Worten Christi „wird euch die Wahrheit frei machen“. Somit stellt jede Religion zwei grundlegende Behauptungen auf, nämlich zum einen, Verkünder der Wahrheit zu sein, und zum anderen, Heilsmittel zu sein. Wäre dem nicht so, hätten wir es nicht mit einer Religion zu tun, sondern mit einer menschengemachten Ideologie, die keine Seele retten könnte. „Wahrheit“ und „Heilsmittel“ sind die Wesensmerkmale einer Religion.

Das Christentum sollte den Menschen, die in der westlichen Welt geboren oder aufgewachsen sind, hinlänglich bekannt sein – obwohl man dies heute nicht mehr als gegeben voraussetzen kann. Was den Islam anbetrifft, wird er von den sogenannten „fünf Säulen“ getragen: Glaube, Gebet, Fasten, Almosengeben und Pilgerfahrt. Der Glaube (imân), dass „es keinen Gott gibt, außer Gott“; das Gebet (salât) fünfmal am Tag; das Fasten (saum) während des heiligen Monats Ramadan; das Almosengeben (zakât) „an die Armen, die Witwen und die Waisen“ und die Pilgerfahrt (hajj) – einmal im Leben, sofern man dazu in der Lage ist – zur Kaaba, zum Hause Gottes (mit dem Schwarzen Stein) in Mekka.

Wenn wir im christlichen Westen unsere Haltung gegenüber dem Islam bestimmen wollen, sollten wir uns eingehend mit den Aussagen und Einstellungen beschäftigen, die wir in den heiligen Schriften beider Religionen und bei ihren Vertretern (gelehrten und weniger gelehrten, früherer und heutiger Zeit) über ihre  Beziehung finden. Mutatis mutandis täten Muslime gut daran, das Gleiche zu tun. Dies allein kann zu dem grundlegenden Wissen führen, das die Voraussetzung für ein tiefergehendes Verständnis ist.

Die im Folgenden angeführten Zitate wurden ausschließlich aus Quellen gewählt, die die betreffende Reli­gion oder die Glaubensrichtung überlieferungstreu darstellen, oder die sich ausschließlich auf vor der Neuzeit bestehende Formen der betreffenden Religion oder Konfession beziehen. Der Grund dafür ist, dass moderne Formen der Religion – die heute allgegenwärtig sind – subjektiv, willkürlich und veränderlich sind und der Autorität und Dauerhaftigkeit ermangeln, die jede wahre Religion kennzeichnen.

Zweck dieser Sammlung ist es, Menschen guten Willens einige der überlieferten Geisteshaltungen und Erklärungen des Christentums gegenüber dem Islam und des Islam gegenüber dem Christentum zugänglich zu machen.

  1. DIE NOTWENDIGKEIT DER ORTHODOXIE

Die Bedeutung des Begriffs „Orthodoxie“* ist heute fast völlig verlorengegangen. Zumeist wird in diesem Begriff nicht mehr gesehen als eine Form von Intoleranz: Eine bestimmte Gruppe von Menschen versucht,  anderen Menschen ihre Ansichten aufzudrängen. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch sinnvoll, sich den ersten Grundsatz des Achtfachen Pfades des Buddhismus ins Gedächtnis zu rufen, nämlich „rechte Ansichten“ oder „rechtes Denken“. Es ist offensichtlich, warum „rechtem Denken“ der höchste Rang gebührt, denn es geht logisch und praktisch dem „rechten Handeln“ voraus. Und welches (aus dem Griechischen abgeleitete) Wort hat die Bedeutung „rechtes Denken“? Eben „Orthodoxie“.   …

Päpste

Papst Pius XI. (1857–1939)

Die folgenden Worte wurden von Papst Pius XI. gesprochen, als er seinen apostolischen Gesandten 1934 nach Libyen schickte:

Glauben Sie nicht, dass Sie zu den Ungläubigen reisen. Muslime erlangen das Heil. Die Wege der Vorsehung sind unendlich.

L’Ultima (Florenz), Anno VIII, 1934

 *

 *        *

Papst Pius XII. (1876–1959)

In den 1950er-Jahren erklärte Pius XII:

Wie tröstlich ist es für mich zu wissen, dass sich überall in der Welt Millionen von Menschen, fünf Mal am Tag, vor Gott verneigen.

 Nikolaus von Kues, Kardinal  von St. Pierre-aux-Liens (1401–1464)

Den verschiedenen Religionsgemeinschaften hast du zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Propheten und Lehrer geschickt. Nun ist es typisch menschlich, dass man eine alte Gewohnheit, die einem in Fleisch und Blut übergegangen ist, für die Wahrheit hält und sie entsprechend verteidigt. Nicht wenige Konflikte entstehen dadurch, dass eine Gemeinschaft ihren Glauben für besser hält als den der anderen.

Dann werden alle erkennen, dass es trotz der verschiedenen Formen des Gottesdienstes nur eine einzige Religion gibt. Die verschiedenen Formen zu vereinheitlichen ist weder möglich noch wünschenswert. Denn dadurch kümmert sich ja jedes Volk besonders hingebungsvoll um seine eigenen Bräuche, weil es denkt, gerade diese seien dir die liebsten. Doch wie du ein Einziger bist, soll es auch nur eine einzige Religion geben, in welcher der Eine, Einzige angebetet wird.

Aus De Pace Fidei, 1 (1450) Vom Frieden zwischen den Religionen, Insel Verlag, Frankfurt 2002, Seite 33–37.

Ein Brief Mohammeds

Im Jahre 628 sandte Mohammed einen Brief, der die Mönche des Katharinenklosters auf dem Berg Sinai schützen sollte. Der Brief enthält die dem Kloster gewährten Rechte, vor allem Freiheit der Glaubensausübung, das Recht, Eigentum zu besitzen und zu bewahren, Schutz der Christen und ihr Recht, im Krieg beschützt zu werden.

Der Wortlaut des Briefes ist wie folgt:

Dies ist eine Botschaft von Mohammed ibn Abdullah, in der wir allen, die sich zum Christentum bekennen, sei es nah oder fern, versichern, dass wir mit ihnen sind. Wahrlich, ich, die Diener, die Helfer und meine Anhänger verteidigen sie, denn die Christen sind meine Bürger; und bei Gott, ich werde alles von ihnen fernhalten, das ihnen missfällt. Weder sollen ihre Richter von ihren Posten entfernt werden noch ihre Mönche von ihren Klöstern. Niemand soll ein Haus ihrer Religion zerstören, es beschädigen oder irgendetwas daraus entfernen und es zu den Häusern der Muslime tragen. Sollte jemand etwas von ihnen entwenden, würde er den Bund Gottes entweihen und er wäre seinem Propheten ungehorsam. Wahrlich, sie sind meine Verbündeten und sie seien geschützt gegen alles, was ihnen verhasst ist. Niemand soll sie nötigen wegzuziehen oder sie verpflichten zu kämpfen. Die Muslime sollen für sie kämpfen. Wird eine christliche Frau mit einem Muslim verheiratet, soll dies nicht ohne ihre Einwilligung geschehen. Sie soll nicht am Besuch ihrer Kirche gehindert werden. Ihre Kirchen sind zu achten. Man soll die Christen nicht daran hindern, sie auszubessern. Ihre Bünde sind uns heilig. Kein Muslim soll diesen Bund brechen bis zum Ende aller Zeiten. (Siehe auch Seite 122)

Das Original dieses Briefes gelangte in den Besitz des osmanischen Sultans­ Salîm I. und wird im Topkapı-Museum in Istanbul aufbewahrt.